Ein Fall von Ganovenehre

Von Bettina Albrod

„Frau Einbrecher telefoniert“ lautete am 4. September 1953 die Überschrift im „Stormarner Tageblatt“: Nachdem die Zeitung ebenso wie die „Lübecker Nachrichten“ zuvor von einem Einbruch bei einem Bauern in Stapelfeld berichtet hatte, bei dem dessen Speisekammer ausgeräumt worden war, fühlte die Frau sich berufen, die angegebene Menge der Beute zu berichtigen, um so ihrerseits einen Betrug der Versicherung zu verhindern. Dabei ging es buchstäblich um die Wurst.


„Nur ein halber Schinken“

Mit der Zeile „Einbrecher mit gesundem Appetit“ hatte das „Stormarner Tageblatt“ einige Tage vorher die Beute aufgelistet: 

drei Schinken im Gewicht von 60 kg, zehn Mettwürste von 10 kg, 20kg Scheibenbauch in Dosen, 15 Dosen Gulasch und 28 Dosen Leber- und Blutwurst. Auch 46 Flaschen Wein nahmen sie mit. Den Wert der Diebesbeute gibt der bestohlene Landwirt mit 1100 Mark an.
„Einbrecher mit gesundem Appetit“, Stormarner Tageblatt, 22. August 1953, Seite 3

Das widersprach offenbar dem Ehrgefühl der Ganovengattin. „In mehreren anonymen Anrufen bei der Diebstahlversicherungsgesellschaft und der Polizei hat in den letzten Tagen eine Frau, die sich am Telefon als die „Ehefrau des Einbrechers von Stapelfeld“ ausgab, gegen die angebliche Höhe der Diebesbeute ihres Mannes protestiert“, berichteten die „Lübecker Nachrichten“ am 4. September 1953.


In der Speisekammer des Bestohlenen hätten nicht drei, sondern nur ein halber Schinken gehangen, korrigierte die Frau die Angaben des Landwirts. Außerdem habe ihr Mann höchstens 22 Flaschen Wein mitgenommen. „Bei ihren Anrufen warnte die „Einbrecherfrau“ die Versicherung, dem Bauern nicht mehr als nur die tatsächliche Höhe des Schadens zu ersetzen“, halten die „Lübecker Nachrichten“ fest.


Die Zukunft im Blick

Zur Empörung über den Versicherungsbetrug gesellten sich laut „Stormarner Tageblatt“ allerdings noch ganz andere Überlegungen, die die Frau zum Hörer greifen ließen: Bei der Polizei wollte sie angeblich mit ihren Anrufen vorbeugen, „daß ihr Mann, falls er erwischt werden sollte, nicht für mehr bestraft werde, als er wirklich entwendet habe.“ Wie der Fall ausgegangen ist und ob auch der Bestohlene zur Rechenschaft gezogen wurde, ist nicht bekannt.

 

 

Quellen

Kreisarchiv Stormarn, V 2 / 800, Lübecker Nachrichten, 23. August 1953, S. 4
Kreisarchiv Stormarn, V 2 / 810,  Lübecker Nachrichten, 4. September 1953, S. 3
Kreisarchiv Stormarn, V 3 / 1180, Stormarner Tageblatt, 22. August 1953, S. 3
Kreisarchiv Stormarn, V 3 / 1191, Stormarner Tageblatt, 4. September 1953, S. 4

 

Der Text stammt von Bettina Albrod. Wir bedanken uns herzlich für die Bereitstellung durch das Kreisarchiv Stormarn und die amüsante Geschichte über die ehrliche Ehefrau.

 

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