Wie eine Stadt auf den Affen kommt

Von Jakob Müller

Das Sterberegister der Stadt Solingen für das Jahr 1911 birgt eine Kuriosität, die trotz ihres morbiden Charakters seinerzeit für Heiterkeit unter der Stadtbevölkerung sorgte. Zusammen mit einer Reihe von Artikeln in verschiedenen Lokalzeitungen wird die ganze Geschichte der Urkunde mit der Nummer 519 offenbart.

Am 1. September 1911 machen Spaziergänger hinter dem katholischen Friedhof bei Krahenhöhe eine grausige Entdeckung. Ein Paket mit einem gehäuteten Torso. Die Polizei wird verständigt, eine schaulustige Menge versammelt sich. Als die Polizei eintrifft, hat die Menschenmenge den Tatort bereits verwüstet, die Spurensuche bleibt letztlich erfolglos.

Drei Tage später wird eine Obduktion anberaumt. Zwei Ärzte, darunter der Kreisarzt und Medizinalrat Dr. Woltemas, führen sie unter Beobachtung eines Gerichtsvertreters durch. Sie finden in dem Paket eine Leiche und einen „Fleischklumpen“, der sich als gehäuteter Vogel entpuppt. Erschrocken stellen die Ärzte fest, dass es sich bei der Leiche um ein wenige Monate altes Mädchen handeln soll. Die „Kindesleiche“ erregt großes Aufsehen in der Presse. Die Stadt ist entsetzt und schockiert. Sofort wird von Amts wegen eine würdige Behandlung der Toten in die Wege geleitet. Die sterblichen Überreste werden auf dem katholischen Friedhof beigesetzt und der Sterbefall am 5. September 1911 vom Standesamt beurkundet.

Doch dann gelingt es der Polizei, den Fall aufzuklären. Ein Mann meldet sich und belastet sich schwer. Er sei für den Zustand des Fundes verantwortlich. Als Tierpräparator habe er im Auftrag des örtlichen Zoos gearbeitet. Der Kadaver sei ein toter Schimpanse. Er habe dessen Fell ausstopfen sollen und die Überreste illegal entsorgt.

Schnell wird klar, dass der Mann die Wahrheit sagt. Bei der Obduktion der Leiche hätte diese als nicht menschlich identifiziert werden müssen.

Empörung und Schock verwandeln sich in Heiterkeit. Zuerst erkennen drei Experten die anthropologischen Merkmale eines Menschen nicht, dann wird diese Leiche nicht nur bestattet, sondern auch standesamtlich beglaubigt. Die Ärzte (im Volksmund nur noch „De Apen“ genannt) müssen es ertragen, dass man ihnen vorwirft, sie hätten die Evolutionstheorie falsch verstanden. Heimatdichter wiederum beflügelt die „Affengeschichte“ zu neuen Werken, wie auf der Postkarte abgedruckt.

Am Ende der Geschichte wird der Affe noch einmal umgebettet und in ungeweihter Erde begraben. Die Bergische Arbeiterstimme kommentiert sarkastisch: 

Hoffentlich hat jetzt die arme Affenseele endlich Ruhe!
Bergische Arbeiterstimme, 11.09.1911

 

Quellen

 

Der Text stammt von Jakob Müller vom Stadtarchiv Solingen. Wir bedanken uns herzlich für die Bereitstellung des Textes und die morbide Verwirrgeschichte von 1911 aus Solingen.

 

Neugierig, welche weiteren historischen Quellen rund um Affen auf Archivportal-D zu finden sind?  Hier entlang ...

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